Wenn ein Hofgut, welches über Jahrzehnte verwildert, wieder zum Leben erweckt werden soll, ist eine verformungsgetreue Bestandsaufnahme unabdingbar.
Das alte Hofgut in mitten eines Ortskerns wurde über Jahrzehnte vernachlässigt und dem Verfall überlassen. Nun hat die Liegenschaft kürzlich den Eigentümer gewechselt und der neue Besitzer steht vor der großen Herausforderung diesem denkmalgeschützten Objekt wieder Leben einzuhauchen. Die ersten Besuche durch Architekten und Statiker waren wenig erfolgreich, da hier starker Verfall und ein hohes Maß an Verformung vorherrscht. Sowohl Architekt als auch Statiker haben eine verlässliche Planungsgrundlage gefordert um mit weiteren Arbeiten zu beginnen.
Wir haben uns dieser Aufgabe angenommen und möchten nun anhand dieses Beispiels zeigen, wie ein solches Aufmaß und die darauffolgende Auswertung auch im Sinne der Denkmalpflege zukunftssicher und vor allem wirtschaftlich umsetzbar ist.
Bisweilen nimmt zwar der Einsatz von Laserscannern in der Denkmalpflege immer mehr zu, jedoch wird bei der Auswertung stets auf „klassische“ 2D Planunterlagen zurückgegriffen. Die allgemein vorherrschende Meinung ist nach wie vor, dass eine verformungsgetreue Auswertung in 3D nicht bezahlbar sei und mit einem unnötig höhen Aufwand verbunden ist. Mit diesem Projektbeispiel möchten wir das Gegenteil beweisen!
Die Vermessung vor Ort:
Nach einer ca. 10 minütigen Begutachtung der Liegenschaft und Absprachen mit dem Besitzer haben wir mit den Vermessungsarbeiten begonnen. Im ersten Schritt haben wir in der direkt angrenzenden Umgebung Passpunkte mittels GNSS (UTM32, DHH16) gelegt um das Projekt direkt zu georeferenzieren.
Im nächsten Schritt wurde die Laserscanvermessung mittels unserem mobilen Messystems „Navvis VLX“ durchgeführt. Die Vermessung der Innen- und Außenbereiche wurde hierbei in unterschiedlichen Clustern erfasst um so im späteren Zuge mit verschiedenen auf die Gegebenheiten angepassten Einstellungen zu prozessieren. Das Aufmaß, inklusive 360° Fotodokumentation wurde so innerhalb von 1 1/2 Stunden durchgeführt. Das Ergebnis ist eine hochdetaillierte Punktwolke, welche auf Grund der SLAM Technologie nahezu verschattungsfrei ist:
Hier zeigt sich schon der erste Vorteil des von uns verwendeten Systems. Denn durch den Einsatz der Navvis Technologie in Kombination mit Navvis IVION sind wir in der Lage, direkt mit der Vermessung ein digitales 360° Raumbuch des Gebäudes zu erzeugen, welches mit Verwendung von POIs (Point of Interest) eine wahre Wunderwaffe wird. Befunde, Gutachten, Detailfotos etc. können direkt im digitalen Gebäudezwilling verortet werden und liefern so die höchstmögliche Informationstiefe. Wir können uns nun also aus weiter Entfernung im Gebäude bewegen und die Gegebenheiten aus etlichen Blickwinkeln betrachten. (Das kann kein analoges Raumbuch!)
Ein Blick in Ivion:
Nun ist neben der fotografischen Dokumentation und dem Raumbuch jedoch der Hauptaugenmerk auf der Erstellung einer belastbaren Planungsgrundlage für unsere Architekten und Statiker. Unserer Erfahrung nach hat sich Autodesk Revit auf Grund der Integration von Drittanbietertools als wirtschaftlichstes Modellierprogramm herausgestellt. Hier sind wir in der Lage nach der „Best-Fit“ Methode Bauteile an die Geometrie der Punktwolke anzupassen, so dass wir tatsächliche Verformungen der Wände, Decken, Träger etc. realitätsgetreu abbilden können:
Aus den Daten folgt zum einen die Ableitung des „klassischen Planwerks“ in Form von Grundrissen, Ansichten und Schnitten, welche wir in den üblichen Formaten wie DWG/DXF und PDF an den Kunden übergeben sowie des Exports der Daten im IFC Format um den Kunden den Import und die Weiterverarbeitung in den eigenen CAD/BIM Softwareumgebungen zu ermöglichen.
Fazit und Ausblick:
Durch den Einsatz moderner Technologien wie dem #NavvisVLX in Kombination mit Ivion könnte die Bauaufnahme und Raumbucherstellung in der Denkmalpflege modernisiert werden, an Informationsgehalt gewinnen und effizienter gestaltet werden als mit aktuell gängingen Methoden. Am vorliegenden Praxisbeispiel wurde die Aufnahme vor Ort innerhalb weniger Stunden durchgeführt, die komplette Auswertung lag innerhalb einer Woche vor.
Die verformungsgerechten 3D Modelle bieten eine ideale Grundlage um die #BIM Arbeitsmethodik auch in der #Denkmalpflege zu etablieren. Durch die Anreichung der Geometriedaten mit Semantik könnten auch Bauteilinformationen IFC-Konform gespeichert und übertragen werden. Ein Diskurs mit der Denkmalpflege wird angestrebt um diese Thematik weiter voranzutreiben.